Sandkastenfreunde
Was die frühen Freundschaften für Dein Kind bedeuten
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Für Kinder sind langjährige Freundschaften unersetzbar. Sie stärken sie für’s ganze Leben. Häufig brechen sie an Übergangsmomenten aber ab — zum Beispiel wenn Kinder die Betreuungseinrichtung wechseln oder vom Kindergarten in die Schule kommen. Das muss nicht so sein. Eltern können die wertvollen Kindergarten-Freundschaften aber bewahren. Langjährige Beziehungen stärken nämlich das Urvertrauen und erleichtern den Umgang mit Veränderungen im späteren Leben. Mit Beziehungsabbrüchen geht man deshalb besser sparsam um. Dieser Artikel soll Eltern anregen, in den Erhalt früher Freundschaften zu investieren.
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Ganz dicke Tinte. Franz und Luca sind enge Kindergarten-Freunde. Jeden Tag spielen sie zusammen, bauen Türme, spielen Streiche, raufen sich und lachen zusammen. Gelegentlich übernachten sie beim Anderen und vermissen einander, wenn einer von beiden verreist oder krank ist. Wer die beiden zusammen erlebt, bereift schnell, wieviel sie einander bedeuten. Eines Tages endet dann die Kindergartenzeit. Beide werden stolze Schulkinder — allerdings in verschiedenen Schulen der Stadt.
Franz vermisst seinen Freund sehr stark. Jedesmal, wenn Mamas Telefon klingelt, rennt er hin und hofft, dass sein Freund Luca anruft. Nur zu gern würde er Luca wieder einmal zur Übernachtung einladen, ihn besuchen oder sonntags im Park treffen.
Franz’ Mama versucht das auch zu ermöglichen. Doch Lucas Mama ruft seit dem Ende der Kindergartenzeit nicht mehr wirklich zurück. Mit der Zeit verstummen die Versuche. Die Freundschaft endet zwangsläufig.
Zack, Pflaster ab?! — Die Eltern meinen es nur gut.
Lucas Eltern sind nicht etwa nachlässig. Sie verhalten sich ganz bewusst so. Sie wollen das Beste für ihr Kind und glauben, es könnte möglicherweise nachteilig für ihren Sohn sein, seinen Kindergartenfreund weiterhin zu treffen. Ihnen gehen Gedanken durch den Kopf wie diese:
- Vielleicht hätte er dann Schwierigkeiten, den alten Lebensabschnitt abzuschließen?
- Vielleicht lebte er sich dann weniger leicht in das neue Umfeld ein?
- Möglicherweise knüpft er dann keine neuen Freundschaften in der Schule?
Und auch fragen Sie sich:
Sollte er im Alter von 6–7 Jahren nicht auch langsam lernen loszulassen um nach vorn zu blicken
Die Intention von Lucas Mutter ist gut: sie will ihrem Kind einen guten Start im neuen Umfeld ermöglichen. Allerdings geht sie dabei einem Missverständnis auf den Leim. Sie verwechselt das soziale Netz ihres Kindes mit dem eines Erwachsenen — vielleicht ihrem eigenen. Erwachsene sind meist recht ausgelastet. Zeit ist knapp und der Tag hat nur 24 Stunden. Man wählt sorgsam aus, wem man Zeit widmet. Soziale Kontakte werden selektiert, denn man hat — je nach Persönlichkeitstyp — nur Kapazität für eine sehr begrenzte Anzahl an Menschen. Ganz ähnlich wie bei einem Kleiderschrank: Wenn Lucas Mama sich ein neues Kleid in den vollen Kleiderschrank hängen möchte, dann ist darin möglicherweise nicht mehr genug Platz. So viele Kleider hängen bereits darin, dass erst einige alte aussortiert werden müssen, bis ein neues Kleid Platz hat.
Bei Kindern funktioniert das jedoch gänzlich anders. Wenn sie die Einrichtung wechseln oder in die Schule kommen, dann verstehen Kinder die neue Lebensphase voll und ganz. Jedoch vollziehen sie den Übergang weniger auf kognitive Weise. Dies geschieht ganz selbstverständlich über ihren Körper, auf dem Schulweg, durch neue Rituale und Orte. Kinder leben stets im Moment. Sie pflegen keinen Metablick auf ihr Leben. Sie leben im Hier und Jetzt und spielen mit den Menschen, die eben gerade anzutreffen sind. Wenn sie aber Freunde vermissen, dann erkennen wir daran, dass gewisse Beziehungen eine besondere Tiefe erreicht haben. Diese Tiefe ist von großer Bedeutung für Ihr Kind. Sie verhindert keine neuen Beziehungen, sondern begünstigt diese sogar. Das Herz eines Kindes ist nicht begrenzt wie ein Kleiderschrank. Es ist unendlich groß. Darin ist viel, viel Platz — für viele, viele Freundschaften. Freunde behalten und neue dazu gewinnen ist kein Widerspruch, sondern klappt wunderbar.
Kinder brauchen also keine Beziehungsabbrüche.
Ganz und gar nicht. Es ist auch unnötig, sie künstlich herbeizuführen. Im Gegenteil – wenn Freundschaften langfristig bestehen, dann stärkt das die Bindungsfähigkeit. Damit klappt’s auch leichter mit dem Knüpfen neuer Freundschaften. Auch mit Veränderungen und Krisen gehen Kinder leichter um, wenn stabile Konstanten erhalten bleiben. Und dazu gehören nicht nur Mutter und Vater.
Gut verdeutlichen lässt sich dies am Beispiel von Scheidungskindern: ganz ehrlich, würden Sie von einem Scheidungskind verlangen, auf ein Elternteil zu verzichten, damit es die Trennung der Eltern begreift? Wir alle wissen doch, dass Kinder solche Trennungen umso besser verkraften, je harmonischer und stabiler die Beziehungen zu beiden Elternteilen bleiben.
Auch Wohnortwechsel und spätere neue Partner der Elternteile können leichter integriert werden, wenn ein starkes Band zu Mama und Papa bestehen bleibt.
So ähnlich ist es auch mit bedeutenden Freunden.
Ganz ähnlich verhält es sich bei den tiefen Freundschaften. Sie geben Stabilität und eine innere Heimat. Je mehr zwischenmenschliche Stetigkeit Kinder aus frühen Phasen behalten können, je mehr Dinge “gleich bleiben”, während sich drum herum alles mögliche verändert, desto vertrauensvoller und selbstsicherer können sie neue Situationen im Leben handhaben. Wenn etwa nach dem Schulanfang alles neu ist, dann wirkt es beruhigend, an einem Nachmittag in der Woche den “guten alten” Kindergartenfreund zu treffen und die gewohnten Spiele gemeinsam zu erleben. Beziehungsabbrüche in der Kindheit sind sogar kontraproduktiv. Verluste entstehen von ganz allein im Leben, dafür brauchen wir nicht noch extra nachzuhelfen. Wer das Beste für sein Kind will, vermeidet sie besser und investiert während der beginnenden Schulzeit auch in den Erhalt der tiefen Freundschaften aus dem Kindergarten. Dann können diese mitunter sehr lange fortbestehen.
Impuls für Eltern: Haltet den Kontakt!
Eltern können und sollten solch tiefe Freundschaften ihrer Kinder möglichst lange erhalten – auch über mehrere Lebensphasen hinweg. Einfach die Telefonnummer der Freundeseltern einspeichern, immer mal anrufen, die Freunde zum Geburtstag einladen, sie zum Spielen besuchen, einander erzählen wie es in der neuen Einrichtung oder in der Schule ist. Solche Kleinigkeiten kosten Eltern ein geringes, aber dauerhaftes Engagement. Sie sind ungemein wertvoll für Ihr Kind und auf lange Sicht unersetzlich.
Dieser Song von der Band ‘Deine Freunde’ bringt das auf den Punkt und geht unter die Haut. Song bei Spotify / Song bei Apple Music
Fazit
Die innere Welt von Kindern können wir Erwachsenen nicht so gut mit unserer Erwachsenenlogik, sondern am besten mit dem Herzen verstehen — indem wir uns in sie einfühlen und ihren Erlebnishorizont zu erahnen versuchen.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute für die Zukunft. Bis bald.
Ihr
Marcell Heinrich